Herr Faller, hat sich die Nachfrage nach Executives durch die veränderte Wirtschaftslage verändert?
Michael Faller: Wir beobachten zwei unterschiedliche Entwicklungen: Die Mehrzahl der Suchmandate erfolgt unabhängig von krisenbedingten Einflüssen, für einen anderen Teil ist dagegen die Corona-Kriese der direkte Auslöser.
So planen Mandanten die Neubesetzung von Geschäftsführerposition. Insoweit hat Corona sicher als eine Art „Brandbeschleuniger“ gewirkt. Zum anderen leiten Gesellschafter verstärkt die Nachfolgesuche für die Geschäftsführung in die Wege, weil die Amtsinhaber in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen. Die Auftraggeber wissen, dass im Executive-Bereich ein relativ großer zeitlicher Vorlauf notwendig ist, da der Selektionsprozess aufwändig ist und die Kandidaten vertraglich gebunden sind. Kündigungsfristen von sechs und mehr Monaten sind keine Seltenheit. Wenn wir jetzt von geplanten Besetzungen sprechen, werden diese je nach aktueller Vertragslage des Kandidaten oder der Kandidatin wahrscheinlich erst Mitte 2021 realisiert.
Welche Neubesetzungen werden direkt als Reaktion auf die Krise geplant?
Michael Faller: Einige Unternehmen haben in den letzten wirtschaftlich schwierigen Monaten deutlich erkannt, dass ihr Management nicht vollständig geeignet ist, auch in einer kritischen Phase die Geschäfte durch den Sturm zu lenken. Aktuell wollen daher manche von ihnen das Top-Management mit Personen ergänzen oder ersetzen, die Skills und Kompetenzen mitbringen, die sich in der Krise bewährt haben.
Ist denn jetzt der geeignete Zeitpunkt, um Schlüsselpositionen neu zu besetzen beziehungsweise mit dem Search zu starten?
Michael Faller: Ja, es ist der richtige Zeitpunkt. Nicht zu lange warten, sondern jetzt prüfen und agieren, damit das Unternehmen adäquat auf die aktuellen Herausforderungen reagieren kann und nicht in Schieflage gerät. Auch im Hinblick auf den Kandidatenmarkt ist jetzt der passende Zeitpunkt, weil Vorlauf, Verfügbarkeiten und Erreichbarkeit der Kandidaten immer einkalkuliert werden sollten. Wer Mitte nächsten Jahres oder auch früher einen Geschäftsführer einstellen möchte, soll schnellstmöglich mit der Suche beginnen.
Wie sieht der Kandidatenmarkt aus? Muss ein Mandant nicht befürchten, dass sich viele Bewerber melden, die – weil ihr Arbeitgeber die Zukunft ohne sie plant – einfach nur eine Anschlussposition suchen?
Michael Faller: Richtig ist, dass mehr potenzielle Bewerber auf dem Markt zur Verfügung stehen als vorher. Das bedeutet für uns als Personalberater, dass wir bei einer größeren Anzahl von Kandidaten sehr genau prüfen müssen, ob es sich um Persönlichkeiten mit herausragenden Leistungen und hoher menschlicher Passung zu unseren Kunden handelt.
Natürlich erhalten wir auch Bewerbungen von Kandidaten, die sich verändern müssen. Die können Leistungsträger sein – oder auch nicht. Unsere Aufgabe ist es, genau zu eruieren, warum der ehemalige Arbeitgeber die Zukunft ohne ihn oder sie plant. Wir arbeiten mit verschiedenen Methoden. Insbesondere verfügen wir über Informationen darüber, wie sich das Unternehmen unter der Verantwortung des Kandidaten entwickelt hat. Dies ergänzen wir um strukturierte Referenzgespräche mit Menschen, die direkt mit oder „unter“ dem Kandidaten gearbeitet haben. Und mit zusätzlichen Testverfahren der Eignungsdiagnostik gewinnen wir ein objektives Bild, ob es sich um eine Top-Führungskraft handelt oder nicht.
Welche Top-Leute wagen jetzt den Wechsel?
Michael Faller: Viele Führungskräfte aus der zweiten Reihe erleben, dass sich durch die Corona-Krise ihre Karrierechancen zerschlagen, weil sich intern die Perspektiven ändern beziehungsweise wegfallen. Sie waren auf dem Sprung in die erste Ebene und wollen sich jetzt umorientieren, um ihre Karriere weiterzuentwickeln. Nicht selten kommen sie aus dem Automotive-Umfeld und streben einen Branchenwechsel an.
Wie offen sind Mandanten für Kandidaten aus einer anderen Branche?
Michael Faller: Wir erleben sie häufig skeptisch, da sie annehmen, dass diese Schlüsselkräfte sehr durch ihr Umfeld geprägt sind. Dieser Punkt sollte aber kritisch auf seine Relevanz hinterfragt werden. Insbesondere Kandidaten, die aus Unternehmen und Branchen kommen, die ihre Business Modelle bereits erfolgreich verändert und die erforderlichen Transformationen der Geschäftsprozess durchgeführt haben, können Erfahrungen einbringen, die den nächsten Entwicklungsschritt für unsere Kundenunternehmen darstellen. Am Ende ist es immer auch eine Frage der Persönlichkeit jedes einzelnen Kandidaten, ob der Branchenwechsel gelingt. Deshalb setzen wir in der Auswahlentscheidung auf strukturierte, mehrstufige Selektionsprozesse und Testverfahren, um den Fall der Fehlbesetzung bestmöglich auszuschließen.